Business Coaching & Organisationsentwicklung

Warum gute Mitarbeiter/innen kündigen

14. August 2019
von Manfred Rack

Die Motive einen Arbeitsplatz zu wechseln können unterschiedlicher nicht sein. Das Einkommen hat dabei ohne Frage einen hohen Stellenwert. Oft überwiegen jedoch andere Gründe, warum jemand ein Unternehmen verlässt.

Zum einen stehen persönliche und familiäre Beweggründe im Vordergrund – Lebensereignisse außerhalb der eigentlichen beruflichen Tätigkeit. Diese sind aus der Sicht eines Unternehmens nur schwer zu beeinflussen oder zu verhindern.

Zum anderen stehen entscheidende Kündigungsgründe meist in enger Verbindung mit der Führungskraft und/oder mit der im Unternehmen  vorherrschenden Kultur.

Eine Führungskraft kann nicht nur sensible Themen wie Arbeitsumfeld und Unternehmenskultur beeinflussen, sondern auch die Wahrnehmungen der einzelnen Mitarbeiter/innen sowie deren beruflichen Möglichkeiten im Unternehmen selbst. Führungskräfte sind zudem verantwortlich, dass sich Mitarbeiter/innen motiviert und wertgeschätzt fühlen. Einer US-Studie (Gallup, 2015) zufolge sind Führungskräfte maßgeblich (über 70 Prozent!) dafür verantwortlich, ob Mitarbeiter/innen ihren Job mit Engagement ausüben.  Darüber hinaus haben sie bedeutenden Einfluss auf die Steuerung von Arbeitsabläufen, auf die Erreichung gemeinsamer Ziele sowie auf das Verhalten ihrer Mitarbeiter/innen. Themen wie diese sind nicht vom Rest des Unternehmens zu trennen und die Führungskraft stellt dafür das notwendige Bindeglied dar. Sie ist zudem auch in der Lage fluktuationsfördernde Faktoren zu verringern, zu verstärken oder im schlimmsten Fall zu initiieren!

Die Unternehmenskultur überträgt sich letztendlich auf die Mitarbeiter/innen, von denen erwartet wird, diese auch mitzutragen. Mit der Zeit erkennen Mitarbeiter/innen die vorherrschende Kultur und werden, sobald diese für sie als nicht passend empfunden wird, aus überwiegend gleichen oder ähnlichen Gründen das Unternehmen wieder verlassen.

Die nachfolgenden Beweggründe können je nach Größe, Art und Beschaffenheit eines Unternehmens unterschiedlich stark, verzerrt oder gar nicht auftreten. Vielleicht erkennen Sie nach der Lektüre Parallelen und/oder Ähnlichkeiten zum eigenen Unternehmen. Die folgende Auflistung von Gründen, warum gute Mitarbeiter/innen kündigen,  erfolgt ohne Prioritäten und beansprucht somit auch keinerlei Gewichtung der Motive:

Mangelnde/Fehlende Unternehmensplanung

Unternehmen formulieren konkrete Ziele und erstellen Pläne, wie diese Ziele zu erreichen sind. Die Mitarbeiter/innen wissen, was von ihnen erwartet wird und welche besonderen Leistungen belohnt werden. Existieren im Unternehmen keine Pläne und/oder werden diese nicht kommuniziert, werden die gewünschten Ziele von ständig geänderten Prioritäten gefährdet. Kein Ergebnis scheint das Management zu begeistern. Erfolge werden nicht gefeiert, da sie auch nicht als solche erkannt werden. Die Folge sind orientierungslose Mitarbeiter/innen, deren vermeintlich besonderen Leistungen nicht als solche erkannt oder sogar als kontraproduktiv gewertet werden.

Permanente Arbeitsüberlastung

Manche Führungskräfte neigen dazu gute Mitarbeiter/innen besonders intensiv einzusetzen, was zu einer Überforderung ausarten kann. Im Extremfall kann diese Handlungsweise sogar als Bestrafung wahrgenommen werden. Untersuchungen (Stanford University, USA) haben gezeigt, dass die Produktivität jenseits von 50 Wochenarbeitsstunden rapide abnimmt. Arbeitslasten im Ausmaß von 55 Stunden/Woche und mehr erzeugen selten eine vom Unternehmen gewünschte zusätzliche Produktivität.

Die falschen Personen werden eingestellt

Kein Unternehmen stellt wissentlich ungeeignete Personen ein. Häufige „Fehlgriffe“ in der Personalauswahl, können durchaus kultureller Natur sein. Die Auswahl fällt immer wieder auf ähnliche Charaktere, da diese vermeintlich in das System passen.

Einen Sonderfall, die sogenannte „Freunderlwirtschaft“, möchte ich hier nicht unerwähnt lassen. Intransparenz und fehlende Fairness bei Bewerbungs-Prozessen oder Beförderungen können sich für das Unternehmen als extrem belastend auswirken. Wenn (Freundschafts-)Beziehung mehr zählt als die Leistung, leidet die Motivation für gute Arbeit enorm. In der Folge verlassen Mitarbeiter/innen das Unternehmen oder sehen zumindest von einer guten Arbeitsleistung ab.

Gute Arbeit wird nicht honoriert

Unternehmen sind sich zwar bewusst, was als gute Arbeit oder besondere Leistung angesehen wird, belohnt wird diese jedoch selten in Form von Gehaltserhöhungen, Boni, Beförderung oder besonderer Anerkennung. Dadurch leidet auch die Motivation für gute Arbeit.

Fehlende geistige Herausforderung und/oder mangelnde Nutzung der Kreativität

Im Unternehmen gibt es für eine selbstständige und innovative Arbeitsweise, persönliche Weiterentwicklung sowie das Verfolgen eigener Interessen kaum Spielraum. Tätigkeiten werden als überflüssig, einengend oder lustlos wahrgenommen. Sobald sich eine günstige Gelegenheit bietet verlassen die Mitarbeiter/innen das Unternehmen.

Fehlende Kommunikation

Ein wesentlicher Faktor bei der Zufriedenheit von Mitarbeiter/innen ist eine verlässliche sowie ausgeprägte Kommunikation. Existieren im Unternehmen ein regelmäßiger Informationsaustausch sowie ein laufender und verlässlicher Informationsfluss? Ehrliches Interesse der Führungskraft wird von Mitarbeiter/innen geschätzt. Das Gefühl als Mensch nicht wahrgenommen zu werden kann rasch zum Verlust der Bindung an das Unternehmen führen.

Freie Meinungsäußerung

Offenheit der Mitarbeiter/innen gegenüber der Führungskraft wird in manchen Unternehmen sogar als illoyal oder respektlos empfunden. Mitarbeiter/innen fehlt dadurch ihre gefühlte Freiheit, Verbesserungsvorschläge oder Missstände im Unternehmen an die Führungskraft weiterzugeben. Die Folge ist Angst vor negativen Konsequenzen oder auch die Erfahrung, dass die Führungskraft gute Ideen als die eigenen „verkauft“. Wer kann da schon erwarten, dass Mitarbeiter/innen nicht bei der ersten ihnen gebotenen Gelegenheit wechseln?  Ein scheinbar gut funktionierendes Unternehmen verliert dadurch seine Mitarbeiter/innen noch dazu ohne die Möglichkeit, solche Schwach­stel­len überhaupt erst zu erkennen.

 

Zudem möchte ich an dieser Stelle noch auf die beruflichen Beziehungen am Arbeitsplatz und den veränderten Ansprüchen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hinweisen. Diese können ebenfalls eine gewichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung, ein Unternehmen zu verlassen, spielen.

Beziehung zur Führungskraft

Man braucht keine innige Freundschaft mit der Führungskraft aufzubauen. Die Beziehung ist jedoch viel zu sehr ein fester Bestandteil des Berufsalltages, als diese außer Acht zu lassen. Solch „vergiftete“ Beziehungen entstehen unter anderem durch fehlende Führungskompeten­zen und untergraben in der Folge das Vertrauen und Engagement der Mitarbeiter/innen.

Beziehung zu Kolleg/innen

Gutes Zusammenarbeiten mit Kolleg/innen ist ein wichtiger Faktor zur Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Werden Beziehungen und Probleme unter den Mitarbeiter/innen von der Führungskraft nicht beachtet, erkannt und gegebenenfalls durch sie interveniert, trennen sich Betroffene wesentlich leichter vom Unternehmen.

Ansprüche ändern sich

Es ist nicht mehr nur das „liebe Geld“, welches entscheidet, ob sich Mitarbeiter/innen von einem Unternehmen trennen. Gerade der demographische Wandel, also die veränderte Bevölkerungsstruktur, macht ein rechtzeitiges Umdenken bei der Bindung von Mitarbeiter/innen an ein Unternehmen notwendig. So hat die sogenannte Generation Y (zwischen 1980 und späten 1990iger Geborenen) eine stark veränderte Auffassung eines idealen Arbeitsplatzes. Arbeitszeit wird zur Lebenszeit! Eine ausgeglichene Work-Life Balance steht immer öfter im Mittelpunkt! Ebenso soll die Tätigkeit als ausgewogen, sinnvoll und anregend empfunden werden. Das Gehalt ist nicht mehr bedingungsloser Ausgangspunkt bei Job-Verhandlungen.

Obwohl der Erhalt von gutem Personal oft mit zähen Verhandlungen und Kompromissen verbunden sein kann, sollte eine Trennung von kompetenten und vor allem erfahrenen Mitarbeiter/innen wohl überlegt werden. Letztendlich liegt dies ausschließlich im Ermessen jeder einzelnen Unternehmensführung. Der Weg zu einer passenden Entscheidungsfindung kann sich jedoch als steinig und fordernd erweisen. Eine angemessene Unterstützung erleichtert dabei ungemein. Besonders dann, wenn diese nicht durch vorhandene Strukturen, wiederkehrenden Verhaltensmuster oder starren Sichtweisen im Unternehmen beeinflusst wird.