Business Coaching & Organisationsentwicklung

„Agil und Lean“ – Welche Hürden es dabei geben kann

5. September 2020
von Manfred Rack

„Schreib mal was über Agiles und Lean Management. Ich sehe da bei uns überhaupt keine Veränderung! Was läuft da falsch?“

wurde ich vor einiger Zeit  gefragt. Sind die notwendigen Voraussetzungen im Unternehmen nicht gegeben, kann tatsächlich so einiges schieflaufen – und das bekommen die Beteiligten auch recht rasch mit. Woran das liegen kann, möchte ich in diesem Artikel kurz zusammenfassen.

Während sich Lean Management auf das Vereinfachen und Standardisieren – der „optimalen Wertschöpfung“ von Prozessen – widmet, zielt Agiles Management auf hohe Reaktionsflexibilität bei veränderten Anforderungen. Beide Methoden setzen jedoch zwei Dinge voraus: Ein eindeutiges Zugeständnis der Geschäftsleitung an die daraus entstandenen Ergebnisse und eine passende Unternehmensstruktur (welche nebenbei bemerkt sehr stark von der Strategie des Unternehmens beeinflusst wird). Letztendlich geht es nicht darum, eine schöne, sondern eine erfolgreiche Organisationstruktur zu haben.

Wo können nun Ursachen liegen, warum solche Managementmethoden nicht oder nur bedingt funktionieren?

X trifft Y

McGregor[1] geht in seiner Theorie X davon aus, dass der (X-)Mensch im Grunde faul und arbeitsscheu ist. Um etwas zum Unternehmensziel beizutragen, muss er daher, im wahrsten Sinne des Wortes, geführt und kontrolliert werden. Ihm gegenüber steht der Y-Mensch – innerlich motiviert, lern- und arbeitswillig – als der perfekte Kandidat für eine „Selbstorganisation“. Ein Zusammentreffen dieser unterschiedlichen Typen Mensch ist während eines Veränderungsprozesses nahezu unvermeidbar. Die Verantwortlichen unterschätzen jedoch oft die daraus entstehenden zwischenmenschlichen Thematiken.

Denken und Handeln

Reflektion und freie Meinungsäußerung fördern die (Weiter)entwicklung der Mitarbeiter*innen positiv. In der Folge sehen sich daher auch viele als „Mitdenker“ und fähige Impulsgeber und werden dadurch immer selbstständiger. Nicht alle Unternehmen halten solche Veränderungen einfach mal so aus oder wollen das überhaupt.

Wahrnehmung

Denn mit der Selbstorganisation bekommen auch Mitarbeiter*innen mehr Überblick über das Unternehmen. Sie erkennen nun viel eher „leere Worte“ aus der Führungsriege. Was wird gelebt und was gepredigt? Wie wird mit Fehlern umgegangen? Wie stehen Teams, Abteilungen oder ganze Bereiche zueinander – besonders dann, wenn sie eng zusammenarbeiten sollen? Da kommt es zwangsläufig schon mal zu unangenehmen Fragen. Das Unternehmen muss dafür auch ausreichend vorbereitet sein.

Alt und neu

Will man Veränderungen erfolgreich durchführen, hat ein lineares Zieldenken dabei wenig Platz. Deshalb muss sich das Unternehmen auch auf die möglichen Entwicklungen einlassen (können). Ein klares „fertig“ gibt es eigentlich nicht. Vielmehr sind es laufende Prozesse, welche sich an vielen Stellen als holprig erweisen. Auch einer neu entstandenen Dynamik während des Prozesses sollte der notwendige Raum gegeben werden. Das Unternehmen muss sich bewusst sein, dass dabei traditionelle Denkweisen und Arbeitsstrukturen aufbrechen und sich zu verändern beginnen.

Wollen oder müssen

Gerade diese Dynamik veranlasst aber auch Mitarbeiter*innen dazu, sich zu fragen: „Will ich das überhaupt alles mitmachen?“ Die Konsequenz daraus kann durchaus auch der Wunsch das Unternehmen zu verlassen zur Folge haben. Das Management sollte sich daher vor Veränderungsmaßnahmen auch mit der Frage auseinandersetzen, warum Menschen (gerne) hier arbeiten und was passieren kann, wenn sich die Rahmenbedingungen dafür ändern?

Die Arbeit an sich selbst

Denn eine gewisse Anzahl an Mitarbeiter*innen haben meist wenig bis gar keine Ambitionen an sich selbst zu arbeiten und/oder sich einfach mal so zu verändern. Modernes Management erfordert indes eben dieses Arbeiten an und mit der Belegschaft. Besonders herausfordernd wird es dann, wenn unterschiedliche Standpunkte auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden sollen. Jede*r Mitarbeiter*in hat dabei eine eigene Meinung, die logische Erklärung dafür inklusive. Diese zu teilen und/oder im gleichen Atemzug jene von anderen zu akzeptieren und in der Folge in einen Veränderungsprozess einzubinden, erfordert eben auch sehr viel Arbeit an sich selbst.

Ergebnis ist nicht gleich Ergebnis

Für ein Unternehmen bedeutet Zeit sprichwörtlich Geld! Zu ambitioniert gesetzte „dead lines“ oder Meilensteine können jedoch rasch die Euphorie während eines Veränderungsprozesses schmälern oder gar zunichtemachen. Veränderungen sind immer nur so gut wie jene Personen, die sie durchdenken, durchführen und überprüfen. Ist der Zeitdruck zu hoch, werden oft nur die Symptome des tatsächlichen Problems behandelt. Vorerst kann man mit dem Ergebnis auch durchaus zufrieden sein. Trotz allem fehlt es an einer alltagstauglichen und nachhaltigen Lösung. Wirklich wahrgenommen wird dies jedoch oft viel zu spät!

Neu heißt auch anders

Alles Neue, ob gewollt, angeordnet oder sich mit der Zeit von alleine entwickelt, verändert. Dies kann sich anfangs durchaus erst negativ auswirken, bevor es sich positiv bemerkbar macht. Solche Phasen muss ein Unternehmen zwischenzeitlich auch aushalten können.

Ehrlich währt am längsten

Bei Veränderungen treten oft unterschiedliche Formen von Unmut und Verunsicherung zu Tage – selbst dann, wenn letztendlich auch Gutes daraus entsteht. Herausfordernd kann es dann werden, wenn im Zuge der Veränderung Themen wie Outsourcing und/oder Reduzierung der Belegschaft im Raum stehen. Es ist überaus ratsam, solche heißen Eisen nicht einfach nebenbei mitlaufen zu lassen, sondern Mitarbeiter*innen mit ehrlicher Kommunikation und angemessener Information entgegenzutreten. Ist dies nicht der Fall, lassen Spekulationen den Topf in der Gerüchteküche rasch übergehen. Letztendlich ist es der Belegschaft geschuldet, einen gewünschten Wandel mit Maß und Ziel durchzuführen um das Unternehmen nicht in seiner Substanz selbst zu gefährden.

Bei allen Veränderungsprozessen gilt es das mögliche Verhalten der Beteiligten als fixe Konstante mit einzubeziehen und dementsprechend professionell zu begleiten. Dies geschieht individuell und wird während des Prozesses laufend an die Gegebenheiten angepasst. So kann einem erfolgreichen Prozessverlauf nichts mehr im Wege stehen.

[1] us-amerik. Prof. am M.I.T.