Fluktuation im Unternehmen – fördernd oder fordernd?
Was bezeichnen wir als Fluktuation?
Selbst die Wissenschaft hat für uns keine einheitliche Definition parat. So sehen die einen darin einzig den laufenden Personalwechsel zwischen Unternehmen. Andere zählen natürliche Zu- und Abgänge wie etwa Karenz, Pensionierung, Krankheit, aber auch Tod oder den Weg in eine Selbstständigkeit dazu. Einen Schritt weiter gehen jene, welche in der Fluktuation auch den innerbetrieblichen Personalwechsel sehen. Dagegen sträuben sich wiederum jene, welche die Meinung vertreten, dass interner Personalwechsel aber so gar nichts mit Fluktuation zu tun hat, da sich ja der Gesamtstand des Personals im Unternehmen nicht verändert.
Zusammengefasst kann demnach Fluktuation als all jene Prozesse des Personalwechsels bezeichnet werden, welche die Zusammensetzung der Belegschaft eines Unternehmens betreffen.
Wodurch entsteht Fluktuation?
Die Entwicklung des Beschäftigungsverhältnisses greift heute immer häufiger in die soziale Struktur der Lebens- und Arbeitsbedingungen ein: Der Arbeitsmarkt bewegt sich stetig weg von einem einheitlichen Beschäftigungsmuster, hin in Richtung vielfältiger, vor allem jedoch flexibleren Varianten. Der klassische Arbeitsplatz per se, als krisenfester Bestandteil und zentraler Ort des (Arbeits-)Lebens, verliert immer mehr an Bedeutung. Fluktuation stellt somit die logische Folge für solche Veränderungen dar. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten erforschten die ursächlichen Faktoren, welche solch eine Fluktuation beeinflussen. Daraus ist erkennbar, dass es dabei zu wechselseitigen und nachgelagerten Einflüssen kommen kann und sich die Ursachen nicht immer eindeutig klassifizieren lassen.
Zusammenfassend können die Ursachen in folgende Faktoren eingeteilt werden:
- Innerbetriebliche Gründe
- Außerbetriebliche Gründe
- Persönliche Gründe
- Persönliche Beurteilung des Aufgaben- und Arbeitsbereiches
- Kündigungen und Entlassungen
- Natürliche Abgänge
Negative Konsequenzen
In unserem Alltagsverständnis wird als naheliegendste Konsequenz eines Personalwechsels deren negative Auswirkung erkannt. Einen buchstäblichen Maßstab, ab wann sich Fluktuation für ein Unternehmen als schädlich erweist, kann jedoch nicht eindeutig definiert werden. Unterliegt sie doch unterschiedlichen Faktoren, wie wirtschaftlichen, sozialen, politischen Ursprungs und dergleichen mehr. Exemplarisch sind solche negativen Konsequenzen eines Personalwechsel vor allem in folgenden Themen verankert:
- Wissensverlust für das Unternehmen (Wissensmanagement)
- Verunsicherung der Belegschaft (Unternehmenskultur)
- Gefährdung von Kundenbeziehungen (Abgang erfahrener Mitarbeiter/innen)
- Produktivitätsverlust während der Kündigungsfrist (Abschlussarbeiten, Wissenssicherung)
- Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung (Mangel an Fachkräften, Verzögerung von Projekten, Einstellung falscher Personen)
- Einarbeitung neuer Mitarbeiter/innen (anfänglich geringere Produktivität des neuen Personals, Kapazitätsengpässe und/oder höherer Aufwand des bestehenden Personals aufgrund von Einschulungen)
- Zusatzkosten (Produktivitätsverlust, Überbrückungsmaßnahmen, Freistellung, Prozess der Personalbeschaffung, Einarbeitung)
Positive Konsequenzen
Entwickelt sich Fluktuation nicht zu einer eigenen, ungewollten Dynamik, so kann sich diese als überaus vorteilhaft erweisen. Durch sie können sich Perspektiven eröffnen, welche es Unternehmen ermöglichen, nicht vorhandenes Wissen zu erlangen oder auch Wissenslücken zu schließen. Dies setzt jedoch eine gezielte Suche nach Mitarbeiter/innen mit den erforderlichen Fähigkeiten voraus. Exemplarisch gewinnen hier vor allem folgende Faktoren an Bedeutung:
- Neue Mitarbeiter/innen bringen frische Ideen und Impulse (Langjährige Mitarbeiter/innen sind der Gefahr einer Betriebsblindheit ausgesetzt. Prozesse werden nicht mehr hinterfragt – das Unternehmen wird durch mangelnde Flexibilität bedroht)
- Neues Wissen und Erfahrungen aus anderen Branchen und/oder der Mitbewerber fließen in das Unternehmen ein
- Durch den Abgang von „Schlüsselpersonen“ erhalten auch verbleibende Mitarbeiter/innen Chancen zur eigenen Entwicklung
- Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen bei Mitarbeiter/innen ohne emotionaler Unternehmensbindung (innere Kündigung)
- Personalpolitische Maßnahmen, welche zu einer Reduzierung der Personalkosten beitragen (Altersteilzeit, Frühpensionierung)
Fluktuation – fördernd oder fordernd?
Gerade personalpolitische „Hau-Ruck“ Maßnahmen lassen heutzutage vielfach eine gefährliche Entwicklung in Unternehmen erkennen. Oft trennt man sich unter schwachen Vorwänden, wie beispielsweise über „unausweichliche“ Sparmaßnahmen, von erfahrenen, vermeintlich teureren Mitarbeiter/innen. Diese, oft nur zeitlich begrenzt wirksamen Entscheidungen sind zwar (meist) legitim, stellen jedoch die wahren Ursachen solcher Vorgehensweisen häufig hinten an. Übrig bleiben dabei Betriebe, welche sich in Bereichen wie des unternehmerischen Wissens und Weiterentwicklung, aber auch der Mitarbeiterbindung gerade mal am Durchschnitt bewegen. Für eine (weitere) erfolgreiche Zukunft können sich solche Entscheidungen rasch zu einem unternehmerischen Desaster entwickeln.
Welche Auswirkungen Personalwechsel haben können und wie diese optimal an das Unternehmen angepasst werden, sind wichtige strategische Entscheidungen, welche dem Management bewusst sein muss. Wie kann Unternehmenswissen erhalten und so verankert werden, damit sich personelle Veränderungen nicht negativ auswirken? Welche Maßnahmen sind notwendig um gute Mitarbeiter/innen ans Unternehmen zu binden? Fragen dieser Art, deren „Erfolge“ oft erst in akuten (Krisen)Zeiten erkennbar sind, werden oft zu vernachlässigten Themen in der strategischen Planung.
Welche Unternehmen haben wirklich einen Plan A, B oder vielleicht sogar C in der „personellen Schublade“? Was tun, wenn Mitarbeiter/innen in Schlüsselpositionen von heute auf morgen das Unternehmen verlassen? Existieren wirklich überall „potentielle“ Nachfolger/innen? Wenn ja, auf welchem Wissensniveau der Vorgänger/innen befinden sich diese am Tage X? Sind diese auch hundertprozentig zur Nachfolge bereit? Und was kommt danach? Wie lange dauert es die „nächste Generation“ von Nachfolger/innen zu finden, auszubilden und einsatzbereit zu machen? Was passiert, wenn nicht eine, sondern gleich mehrere Personen zusammen das Unternehmen verlassen? Ist dann noch ein „normaler“ Betrieb aufrecht zu erhalten? An dieser Stelle könnte Plan B oder C greifen. In der strategischen Planung sollte dies zumindest nicht gänzlich vernachlässigt werden.
Personalplanung kann aber auch eine ganz andere Strategie verfolgen. So können beispielsweise angestrebte Ziele durch „Zukauf“ von unternehmensrelevantem Wissen und Erfahrung über potentielle Know-How Träger/innen von außen erreicht werden. Die daraus möglichen Konsequenzen solcher Entscheidungen, wie höhere Gehälter oder personelle Veränderungen, müssen rechtzeitig erkannt und ebenfalls in der strategischen Planung berücksichtigt werden. Dazu zählt auch eine adäquate, der Situation angepassten Information an die Belegschaft.
Mitarbeiterbindung ist weit mehr als nur ein Schlagwort. Garantiert sie doch einerseits ein reibungsloses Miteinander im Unternehmen, andererseits spiegelt sie auch das Unternehmen nach außen wider. Image zeigt sich vor allem auch durch die vorherrschende Unternehmenskultur (Corporate Identity, Vision, Vertrauen …) und dem Führungsverhalten (Struktur, Kompetenz, Verhalten …). Sie legen den Grundstein zu einem passenden Betriebsklima (Kommunikation, Informationen, Veranstaltungen …), Freude am Job (Karriere, Aufgaben, Weiterbildung …) sowie einer passenden Leistungsvergütung. All diese Faktoren vereinigen sich in einer erfolgreichen Mitarbeiterbindung.
Fluktuation ist und wird immer Teil der Unternehmensentwicklung sein. Welche Richtung sie einschlägt hängt von der Art und Weise ab, wie sich ein Unternehmen auf- und darstellen möchte.