Stille – die verkannte Kompetenz
Was wird von uns nicht alles an Kompetenzen für unser Berufsleben erwartet? Besondere Fähigkeiten, welche wir nach Wünschen der Arbeitgebenden haben sollen, um unsere Tätigkeiten nach deren Vorstellungen bewältigen zu können. Ob es dann auch tatsächlich jene speziellen Anforderungen sind, welche uns dafür qualifizieren, ist eine andere Sache. Die Stellenanzeige sagt uns, welche erforderlich sind, das (Arbeits)leben zeigt uns, welche davon tatsächlich notwendig sind. Soft Skills eben – jede/r hat sie, jede/r braucht sie!
Eine Kompetenz, welche auf Anhieb als solche oft gar nicht erkannt oder verstanden wird, ist die Stille. Sie ist eine jener Fähigkeiten, die uns menschlicher macht. Ohne ihr kann es uns richtig schwer fallen uns zurückzunehmen und anderen zuzuhören.
Ein wichtiger Teil des Zuhörens ist der Stille vorbehalten. Viele von uns haben das Stillsein verlernt. Lautstärke dominiert unser tägliches Leben, unsere Aufgaben, unsere Gespräche. Wer leise spricht oder nicht gleich in ein Gespräch eintritt, wird oft gar nicht mehr gehört. Deshalb passen wir uns auch an solch eine Gesprächskultur an – um dabei zu sein und nicht im Abseits zu landen. Was wir dabei aufnehmen wirkt dann oft nur mehr oberflächlich. Wir können gar nicht mehr alles mitbekommen, weil wir zu sehr damit beschäftigt sind, uns entsprechend heftig ins Gespräch einzubringen. Wer redet kann nicht zugleich zuhören und nachdenken. Wir assoziieren laut mit stark. Wer laut ist, bestimmt! Also schnurstracks hinein in unsere selbst erschaffene Kommunikationskultur.
Zuhören können ist ein überaus wichtiger Teil der Konversation. Kann man still sein, dann kommt das richtige Zuhören fast von alleine – nicht nur Worte hören, sondern das Gesagte auch richtig verstehen. Manche von uns reden, weil es ihr Ego von ihnen abverlangt. Das Bedürfnis sprechen zu müssen ist dabei größer als das eigene Ich. Viel zu sagen ist jedoch nicht gleichbedeutend, etwas Wichtiges zu sagen. Zu viele Worte können Gesagtes verzerren, keine Worte es verstärken. Man sollte sich fragen, ob gerade jetzt überhaupt gesprochen werden muss. Stille – Ruhe – Gedankenpause. Solch eine kurze Zeitspanne kann uns schon in eine andere Richtung lenken, andere Ergebnisse bewirken.
Auch in der systemischen Beratung ist Stille ein wichtiges Instrument. Stille bedeutet zuhören, beobachten, Gedanken sammeln, Zusammenhänge erkennen, neue Möglichkeiten entdecken. Je länger diese Zeit andauert, desto mehr kann dabei passieren. Stille ist uns allen gegeben, Lärm wird von uns gemacht. Wir haben es selbst in der Hand, wie wir damit umgehen.